C. Bornstein-Bielicka: Mein Weg als Widerstandskämpferin

Cover
Titel
Mein Weg als Widerstandskämpferin.


Autor(en)
Bornstein-Bielicka, Chasia
Erschienen
München 2008: Deutscher Taschenbuch Verlag
Anzahl Seiten
383 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Helena Kanyar Becker

Man nannte sie «Mejdelach» oder «Dewuschki». Die fünf jüdischen Mädchen auf der «arischen» Seite, die den Partisanen Essen und Waffen in die Wälder bei Białystok 1943–44 brachten. Getarnt mit illegalen polnischen Papieren, arbeiteten sie tagsüber als Haushaltshilfen, nachts leisteten sie Kurierdienste. Eine von ihnen, Chasia Bornstein-Bielicka (geb. 1921), erinnert sich an das gefährliche Doppelleben. Sie schildert die harmonischen Familienbeziehungen und den Alltag der jüdischen Gemeinde in Grodno (heute Weissrussland) während der Zwischenkriegszeit. Als Mitglied der zionistischen linken Jugendbewegung Haschomer Hazair lernte sie die Prinzipien der Untergrundarbeit kennen. Von ihrer Widerstandsgruppe überlebte sie als einzige den Holocaust.

Das Leben im Stetl in Grodno wurde schon vor dem Kriegsanfang von Antisemitismus überschattet. Die Autorin berichtet über ein Pogrom von 1935 und die massiven antijüdischen Ausschreitungen am Vorabend des nazistischen Überfalls auf Polen. Dank dem Hitler-Stalin-Pakt folgte der deutschen Besetzung im September 1939 die sowjetische Okkupation, die am 22. Juni 1941 mit der Einverleibung von Grodno ins Dritte Reich endete. Die jüdische Minderheit wurde ins Ghetto getrieben, wo schliesslich 30 000 Leute eingepfercht zusammenleben mussten. Noch vor den letzten Deportationen in die Vernichtungslager im Winter 1943 wurde Chasia von der Widerstandsorganisation nach Białystok geschickt. Dort wirkte sie bis zur definitiven Liquidierung des Ghettos im Sommer 1943 als Verbindungsfrau zwischen den Ghettoinsassen und der Aussenwelt. Die blonde und gut polnisch sprechende Chasia wohnte bei nichts ahnenden einheimischen Familien und arbeitete bei Deutschen. Sie wurde bei ihrer illegalen Tätigkeit nicht nur von Polen, sondern auch von antinazistischen Deutschen unterstützt. Der Unternehmer Otto Busse, bei dem sie angestellt war, erhielt später in Yad Vashem die Auszeichnung «ein Gerechter unter den Völkern».

Nach Kriegsende fand Chasia in Grodno weder ihre Verwandten noch Freunde. Sie liess sich zur Pädagogin ausbilden und betreute in Łódz jüdische Waisenkinder, die sie auf illegalen Wegen nach Israel brachte. Allerdings erst nach einem Zwangsaufenthalt in einem Internierungslager in Zypern. In Israel traf sie Heini Bornstein wieder, den sie während ihrer Vortragsreise durch Europa 1946 kennengelernt hatte. Der Basler Heini Bornstein (geb. 1920) organisierte 1939–1945 im Rahmen von Haschomer Hazair zahlreiche Hilfsaktionen für die bedrohten Juden in den besetzten Ländern. Chasia Bielicka und Heini Bornstein heirateten. Nach mehr als 50 Jahren besuchten sie zusammen mit ihren Töchtern Polen. Chasia verfasste dann ihre Memoiren, die 2003 auf Hebräisch erschienen. Der Basler Historiker Heiko Haumann sorgte für die deutsche Herausgabe dieses kritischen und ergreifenden Selbstzeugnisses.

Zitierweise:
Helena Kanyar Becker: Rezension zu: Chasia Bornstein-Bielicka: Mein Weg als Widerstandskämpferin. München, dtv, 2008. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 384-385.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 384-385.

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